Summary.
Anfang des Jahrtausends wurde das Virtuelle Observatorium (VO) gegründet, dessen Ziel es ist astronomische Daten über das Internet zugänglich zu machen, Standards für eine einheitliche Verarbeitung zu definieren und intuitiv zu bedienende Analysewerkzeuge zu entwickeln. Im Rahmen eines German Astrophysical Virtual Observatory (GAVO) Projekts wurden vom Institut für Astronomie und Astrophysik Tübingen (IAAT) VO-Dienste entwickelt, über die theoretische Sternspektren über das Internet zur Verfügung gestellt werden und Spektralanalyse jedem ermöglicht wird. Der Nutzer kann bereits berechnete synthetische Spektren über den TheoSSA-Dienst herunterladen. Für genauere Analysen können über den TMAW-Dienst individuelle Spektren erzeugt werden. Erfahrene Nutzer können die zugrunde liegenden Atomdaten aus der TMAD-Datenbank herunterladen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung dieser Dienste. Dafür wurden sowohl die bestehenden Dienste erweitert als auch neue Dienste erzeugt und diese in Spektralanalysen angewandt.
TIRO: Mit diesem neu entwickelten Dienst kann der VO-Nutzer individuelle Querschnitte und Modellatome für Eisengruppenelemente berechnen lassen. Die Berücksichtigung der Eisengruppenelemente in der Spektralanalyse erfolgt aufgrund ihrer Vielzahl an Energieniveaus und zugehörigen Linienübergängen nicht analog zu anderen Elementen. Ein statistisches Verfahren ist nötig, um die Energieniveaus zu kombinieren und die Querschnitte zu samplen (implementiert im IrOnIc-Programm). Um eine Verbesserung und Beschleunigung des IrOnIc-Programms zu erreichen, wurden einige seiner Parameter und Unterprogramme getestet und die Bedienung des Programms durch den webbasierten TIRO-Dienst verändert. Zusätzlich wurde eine Datenbank aufgebaut, was eine Interpolation der Querschnitte ermöglicht. Damit kann die Wartezeit von Tagen auf wenige Minuten verkürzt werden.
TMAW: Für den bestehenden TMAW-Dienst wurde eine Qualitätskontrolle eingeführt, die dem Administrator die Betreuung des Dienstes erleichtert und dem Nutzer Informationen über die Genauigkeit der resultierenden synthetischen Spektren im Vergleich zu von einem Experten mit dem selben Sternatmosphärencode berechneten, detaillierteren Spektren liefert. Außerdem wurde die Modellierung von TMAW-Spektren auf Computern, die über das AstroGrid-D zugänglich sind, ausgebaut und die Berechnung der synthetischen Modelle um weitere Schritte ergänzt, die die Genauigkeit der TMAW-Spektren steigern, aber dennoch wenig zusätzliche Rechenzeit benötigen.
Anwendung in der Spektralanalyse: Im Rahmen der Einführung einer Qualitätskontrolle für TMAW wurden differentielle Spektralanalysen für ausgewählte heliumreiche, heiße unterleuchtkräftige Sterne und PG1159-Sterne durchgeführt und deren Ergebnisse mit TMAW-Resultaten verglichen. Die Ergebnisse der Analysen weichen maximal 4% bis 12% in der resultierenden Effektivtemperatur und 4% bis 6% in der Oberflächenschwerebeschleunigung voneinander ab, was die Erwartungen deutlich übertriftt. Um die Auswirkung der neuen Atomdaten für Eisengruppenelemente auf das Ergebnis einer Analyse zu untersuchen wurden in die finalen Modelle Eisengruppenlemente eingefügt. Dadurch kann gezeigt werden, dass sich die aus einer Analyse resultierende Effektivtemperatur und Oberflächenschwerebeschleunigung bei Vernachlässigung der Eisengruppenelemente um bis zu ca. 10% ändern kann. Außerdem wurden die Auswirkungen der Eisengruppenelemente auf den Flussverlauf von Modellen wasserstoffreicher, eisengruppenüberhäufiger, heißer unterleuchtkräftiger Sterne untersucht. Es zeigt sich, dass die Eisengruppenelemente eine deutliche Absenkung des UV-Flusses verursachen können, die in den Beobachtungen bisher nicht erklärt werden konnte. Für eine Analyse einzelner Spektrallinien der Eisengruppenelemente sind die Unsicherheiten in den Atomdaten allerdings zu hoch. Die im Rahmen dieser Arbeit berechnete Diffusionsmodelle können die extrem hohen Eisengruppenhäufigkeiten erklären, chemisch homogene Atmosphären reproduzieren die Beobachtungen allerdings besser.
TMAD: Ein weiterer Beitrag zur Spektralanalyse über das Internet ist die Erweiterung der TMAD-Modellatomdatenbank.
TEUV: Der neue TEUV-Dienst ermöglicht dem VO-Nutzer die Modellierung der interstellaren Absorption durch Ionen von H, He, C, N und O (im EUV-Wellenlängenbereich) basierend auf Opacity Project-Daten. Gesteuert wird er über eine im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Webseite, auf der der Nutzer (interaktiv) verschiedene Parameter, die das interstellare Medium beschreiben, anpassen kann.
Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Tests anhand verschiedener Objekte zeigen, dass die neuen und erweiterten Tübinger VO-Dienste einen wichtigen Beitrag zur Spektralanalyse im VO liefern. Sie ermöglichen die Analyse unterschiedlicher Objekte – ohne selbst Rechenzeit in die Modellrechnung zu investieren – sowohl einer breiten Nutzergemeinde als auch den Spezialisten.
Online-Publikation: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-67747
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Last modified 13 May 2013 |