Physikkurs für Kekse am Leibniz-Kolleg Tübingen

Spezielle und allgemeine Relativitätstheorie

1. Fakten

1905 wird von Albert Einstein die SRT veröffentlicht: "Zur Elektrodynamik bewegter Körper"
Vorarbeiten u.a. von H. A. Lorentz.
1917 erweitert zur Allgemeinen Relativitätstheorie ART.<
SRT ist eine der experimentell am besten gesicherten Theorien.
SRT und ART liefern ein neues Konzept für Raum und Zeit.

2. Die Postulate der SRT

Die SRT beruht auf 2 Postulaten, die nicht logisch begründet, sondern nur experimentell bestätigt werden können.
1. (Spezielles) Relativitätsprinzip:
Die physikalischen Gesetze haben in allen gleichförmig bewegten, gravitationsfreien Bezugssystemen (Inertialsystem) die gleiche Form.
Jede Geschwindigkeit ist immer nur Relativgeschwindigkeit, es ist unmöglich, eine absolute Geschwindigkeit anzugeben.
2. Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
Die Vakuumlichtgeschwindigkeit (299 792.458 km/s) hat in jedem Inertialsystem denselben Wert, sie ist vom Bewegungszustand der Quelle oder des Beobachters unabhängig.
Beachte : Vorraussetzung für die Gültigkeit der SRT: Abwesenheit von Gravitationskräften

3. Das Problem der Gleichzeitigkeit

Was bedeutet gleichzeitig ?
Gedankenexperiment:
Am Bahndamm bei M stehend beobachtet man den gleichzeitigen Einschlag zweier Blitze bei A und B. Wie wird dasselbe Ereignis vom fahrenden Zug aus beobachtet ?
Fazit: Gleichzeitigkeit hängt vom Betrachter/Bezugsystem ab !

4. Zeitdilatation

Gedankenexperiment der Lichtuhr:

Die Photonen haben in beiden Systemen die Geschwindigkeit c.
Der Weg, den die Photonen in der bewegten Lichtuhr zurücklegen, ist aber länger als in der ruhenden Uhr.
Also dauert ein "tick-tack" in der bewegten Uhr länger.
Die Zeitdauer desselben Prozesses kann in verschiedenen Inertialsystemen unterschiedlich sein.
Fazit: Bewegte Uhren gehen langsamer !
Bestimmung der Formel für die Zeitdilatation:

Satz des Pythagoras auf das rechte Bild angewendet liefert:
(c Δt _ruh ) ² + (v Δt _bew ) ² = (c Δt _bew ) ²
Aufgelöst nach Δt _bew ergibt sich:
Δt _bew = Δt _ruh ( 1 - v² / c ² ) ^-0.5

Das Myonenschauer-Experiment

Myonen entstehen beim Eintreten von kosmischer Strahlung in die Erdatmosphäre in etwa 10km Höhe. Sie bewegen sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit zur Erde hin. Ihre Lebensdauer beträgt 2,2 Mikrosekunden.
1941 wurde von Rossi und Hall die Anzahl dieser Myonen mit 0.9952c auf dem Mt. Washington (1910m) und auf nahezu Meereshöhe (3m) gemessen.
Auf dem Berg ergaben sich 563 +/- 10 Myonen pro Stunde, auf Meereshöhe 408 +/- 9 Myonen pro Stunde.
Die Flugzeit der Myonen von der Bergspitze bis zum Erdboden beträgt 6,4 Mikrosekunden, entsprechend dem Zerfallsgesetz sollten deshalb auf dem Boden nur 31 Myonen pro Stunde gezählt werden.
Berücksichtigt man jedoch die Zeitdilatation, so läuft für den Beobachter auf der Erde die Uhr des mit 0.9952c fliegenden Myons etwa 10 mal langsamer ab, entsprechend sollten auch weniger Myonen zerfallen.
Die beobachtete Anzahl der schnellen Myonen lässt sich nur mit Hilfe der speziellen Relativitätstheorie verstehen.

Flug mit Uhren

1971 fliegen Hafele und Keating mit transportablen Caesium-Atomuhren um die Erde.
Die Geschwindigkeit des Flugzeugs ist zwar sehr klein (1000 km/h) im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit (300000km/s), dennoch kann die Zeitdilatation nachgewiesen werden.
Die um die Erde geflogenen Uhren gingen etwa 50 ns (50 Milliardstel Sekunden) nach im Vergleich zu baugleichen, beim Start synchronisierten Uhren auf der Erde.
Fazit: Wer viel fliegt, altert langsamer...

5. Lorentzkontraktion

Gedankenexperiment: Uhr fliegt an Maßstab vorbei
Im Ruhsystem des Maßstabes vergeht ein bestimmtes Zeitintervall.
Im System der Uhr vergeht ein bestimmtes Zeitintervall; dieses ist kürzer als das Zeitintervall im Ruhsystem des Maßstabes (Zeitdilatation).
Damit sich im Ruhsystem der Uhr in der kürzeren Zeit der Maßstab an ihr vorbeibewegen kann, muss sich der Maßstab in ihrem System verkürzen.
Formel für die Lorentzkontraktion:
L _bew = L _ruh ( 1 - v² / c ² ) ^0.5
Fazit: Bewegte Maßstäbe sind in Bewegungsrichtung verkürzt !
Messung der Länge eines bewegten Körpers:
Licht fällt senkrecht auf einen bewegten Stab. Der so entstehende Schatten ist kürzer als der ruhende Stab.

Das Myonenschauer-Experiment

Nun wird das Myonenschauer-Experiment aus der Sicht des Myons betrachtet.
Das Myon befindet sich in seinem eigenen Bezugssystem in Ruhe, es sieht den Erdboden dagegen mit 0.9952c auf sich zukommen.
Entsprechend der Lorentzkontraktion erscheint dem Myon die Strecke bis zum Erdboden um etwa den Faktor 10 verkürzt, so dass der Erdboden problemlos bis zu ihm fliegen kann, bevor es zerfällt.

6. Das Zwillingsparadoxon

Ein Zwillingspaar lebt an einem Ort, der sich geradlinig gleichförmig bewegt (Erde).
Die Schwester (blau) unternimmt einen längeren Raumflug, der Bruder (rot) bleibt zuhause.

Bei der Rückkehr der Schwester zeigen ihre Uhren verschiedene Zeiten an (uU sind für die Schwester Wochen, für den Bruder Jahrzehnte vergangen).
Zwischen A und M vergeht im Inertialsystem des Bruders die Zeit T/2, im Inertialsystem der Schwester T '/2.
Zeitdilatation liefert dann
T = T ' ( 1 - v² / c ² ) ^-0.5
Gegenargument: Betrachtung vom Standpunkt des Ruhsystems der Schwester würde zum genauen Gegenteil führen.
Aber: Die Schwester bewegt sich nicht gleichförmig, sie wechselt ihr Inertialsystem (Rückkehr zum Ausgangspunkt). Die Bewegung von Bruder und Schwester sind deshalb nicht äquivalent.
Gleichzeitigkeit für Bruder und Schwester (siehe nächste Seite)

Alle Ereignisse auf den diagonalen Linien finden für die Schwester jeweils gleichzeitig statt.
Es gibt aber einen Bereich von Ereignissen im Leben des Bruders, die die Schwester in keinem ihrer beiden Intertialsysteme als jetzt bezeichnen würde. Dieser Bereich ist dick schwarz markiert.

7. Die allgemeine Relativitätstheorie

Rund 10 Jahre nach der speziellen legt A. Einstein die allgemeine Relativitätstheorie vor.
Idee:
Verallgemeinerung des Relativitätsprinzips der speziellen Relativitätstheorie auf alle, also auch beschleunigte Systeme.
Die ART beschreibt die Gravitation (Schwerkraft).
Eine Reihe von Voraussagen der ART sind inzwischen zweifelsfrei durch Beobachtungen oder Experimente bestätigt.

8. Gleichheit von schwerer und träger Masse

Schwere Masse:
Alle Körper fallen, unabhängig vom Material, im Schwerefeld der Erde gleich. Hierfür ist die Eigenschaft "schwere Masse" verantwortlich, die jeder Körper besitzt.
Träge Masse:
Soll der Bewegungszustand eines Körpers geändert werden, so muss zu seiner Beschleunigung Kraft aufgewendet werden, um seine "träge Masse" zu überwinden.
Einsteins geniale Erkenntnis:
Träge und schwere Masse sind identisch, es gibt keine physikalische Möglichkeit zu unterscheiden, ob ein Schwerefeld oder eine Trägheitsbewegung vorliegt.

9. Die Krümmung der Raumzeit

Materie sagt der Raumzeit, wie sie sich zu krümmen hat, die gekrümmte Raumzeit sagt der Materie, wie sie sich zu bewegen hat.
Anschaulich: straff gespanntes Gummituch ("Raum"), darauf werden schwere Gegenstände gelegt ("Materie") und eine Murmel rollt über das Tuch.
Dieser Effekt ist messbar bei der durch die Sonne verursachten Ablenkung des Lichts eines Sterns. 1919 wurde dies das erste Mal bei einer Sonnenfinsternis gemessen, der Wert entsprach genau dem durch die ART vorausgesagten Wert.

10. Die Drehung des Merkur-Perihels

Gemäß den Keplerschen Gesetzen bewegen sich die Planeten auf Ellipsenbahnen um die Sonne.
Berücksichtigt man die störenden Einflüsse der anderen Planeten auf die Bewegung eines einzelnen Planeten, so wandert die Ellipse um die Sonne, es kommt zu einer Rosettenbewegung (Periheldrehung, entdeckt 1859 von Le Verrier).
Die Newtonsche Gravitationstheorie kann trotz Einbeziehung sämtlicher Störeffekte die bei Merkur gemessene Periheldrehung nicht erklären, der gemessene Wert ist größer als die Theorie erlaubt.
Die allgemeine Relativitätstheorie liefert den exakten gemessenen Wert von 43 Bogensekunden pro Jahrhundert, indem sie die Raumkrümmung, verursacht durch die Masse der Sonne, berücksichtigt.